Adolf Cluse - Gefallene des Zweiten Weltkriegs aus Raesfeld

Heimatverein Raesfeld e. V.
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Name:Cluse
Vorname(n):Adolf Hermann
geboren am:24.05.1923
in:Raesfeld
vermisst:Februar 1945 (14.12.1944)
in:Heiligenbeil, Ostpreußen
Gedenkstätten:Friedhof Königsberg / Kaliningrad
Friedhof Raesfeld
Dienstgrad:Grenadier
Beruf:
Tischler
Eltern:Johann Hermann Cluse und
Katharina geb. Junker
Adolf Hermann Cluse
Adolf Cluse wurde Ende 1941 zur Wehrmacht eingezogen.

Er kam zur Ausbildung nach Namur in Belgien. Von dort wurde er 1942 nach Dänemark verlegt und kam im Herbst desselben Jahres nach Russland in das Gebiet zwischen Witebsk und Smolensk. Den Rückzug im Sommer 1944 bis nach Ostpreußen überlebte er glücklich.

Im Laufe der russischen Offensive im Januar und Februar 1945 wurde seine Truppeneinheit – wie so viele andere – in Ostpreußen eingeschlossen. Sein letzter Brief, der die Heimat erreichte, datiert vom 9. Februar 1945.

Seit einem Kampfeinsatz um Heiligenbeil in Ostpreußen im Februar 1945 gilt er als vermisst. Seitdem hofften seine Angehörigen zuhause vergebens auf ein Lebenszeichen.

Lebensgeschichte unseres Bruders
ADOLF CLUSE
geboren am 24. Mai 1923 in Raesfeld, vermisst seit Januar/Februar 1945 in Ostpreußen.

Unser Bruder Adolf Cluse, geb. am 24. Mai 1923 in Raesfeld, war das erste der 5 Kinder unserer Eltern Johann Cluse und Katharina, geb Junker, aus Lintel bei Wiedenbrück.
Seine Eltern gaben ihm den Namen Adolf als Ausdruck ihrer Verehrung für den Priester und „Gesellenvater“ Adolf Kolping (1813 - 1865).

Er verlebte, so kann man sagen, eine normale, behütete Kindheit in der Raesfelder Bauernschaft „Büskerhook", wo es an Abwechslung und Spielgefährten nicht fehlte. Mit 11 Jahren erlebte er 1934 sein erstes Unglück durch den Tod seiner Mutter Katharina, 40 Jahre alt. Die Cluse-Kinder, mit Ausnahme von Hermann, damals 2 Monate alt, wurden der Reihe nach an Mutters Sterbebett geleitet, um ihr - auf Empfehlung: „Auf Wedersehen, Mama, im Himmel!“ zu sagen.

Durch die Ehe Vater Johanns 1936 mit Maria Himmelhaus, ebenfals aus Lintel, kamen noch ein 6. und ein 7. Kind hinzu: Paul 1937 und Marlis 1940.

Die Cluse-Kinder wurden damals schon frühzeitig zu allen moglichen Arbeiten in Haushalt und Landwirtschaft herangezogen. Doch gab es auch Zeiten und Mölichkeiten für Fang- und Versteckspiele. Der Binnenhof des elterlichen Anwesens, die Gebäudedurchgänge und Ecken boten sich dafür an. Im Haus, am Wohnzimmertisch, gab es Karten- und Brettspiele, zum Teil anspruchsvolle bis zum Schachspiel, bei dem sich Adolf auch als Lehrmeister betätigte.

Adolf konnte gerne und gut auf seiner bzw. seinen Mundharmonika(s) spielen - „mit Zungenschlag“ - wie er es nannte. Eines seiner Instrumente war zweiseitig, mit je einem anderen Grundton.
AdoIf bastette gerne an der vor allem Sonntags freien Lehrlingsbank in der Werkstatt. Dabei machte er die Erfahrung, dass beim Zusammenbau von kleinen Kästchen die Nägel oft falsche Wege nahmen, um, wie Bela sagte, zu sehen, wer sie herein geschlagen hatte.
Das ärgerte ihn, und daher stellte er schließlich ein Ultimatum: „Noch einmal daneben, dann könnte es was erleben!“ Nach abermaligem Misserfolg verschaffte er seiner aufgestauten Wut freien Lauf, indem er mit dem Hammer sein unvollendetes Werk gründlich zerschmetterte und seinen Arbeitsplatz verließ.

Das schöne Krippenhäuschen in seinem Elternhaus entstammte seinem handwerklichen Können.

Zu seinen Raesfelder Freunden gehörten unter anderem die Brüder Mümken-Hasbeck, die ungefähr in seinem Alter waren und alle, wie er, den Krieg nicht überlebten. Außerdem war er gerne Mitglied einer Jungschar-Gruppe im Dorf Raesfeld.

Durch Vermittlung einer bekannten Familie in Gescher besorgte unser Vater - nach dem Motto: „Fremde Hand lehrt am besten!“ - Adolf eine gute Lehrstelle bei der Familie Kerkhoff in Gescher.
Dies bestätigte sich schon bald mittels der schönen und exakten Arbeitsproben, die Adolf im Rahmen der „Berufswettkämpfe“ erstellte, und die bei mir, dem 4 Jahre jüngeren Bruder, geradezu Bewunderung erzeugten.
Adolf kam in der Regel samstags mit dem Fahrrad nach Hause. Er wusste immer einige interessante Begebenheiten aus dem Leben der Familie Kerkhoff zu erzählen, zum Beispiel von den „Kebbeleien“ der Oma Kerkhoff mit der unverheirateten Tochter, der „Tante“ im Hause.
Ferner berichtete er von seinen handwerklichen Einsätzen in „Haus Hall“, einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen
Interessant waren auch seine Berichte zum Karneval. der im Gegensatz zu Raesfeld in Gescher seit langem ausgiebig und gefeiert wurde - und wird. In seinem Heimatort waren diese früheren Festtage mit Hilfe der Pastöre durch 3 Bettage, = 40-stündiges Gebet, ersetzt worden.

Seine Lehrzeit dauerte vom Frühjahr 1937 bis März 1940. Nach seiner Gesellenprüfung blieb Adolf auf Wunsch seines Lehrmeisters noch mindestens ein halbes Jahr bei Kerkhoff.

Bei der Ende 1940 erfolgten Musterung zum Wehrdienst wurde er wegen seiner noch nicht erreichten körperlichen „Kriegsverwendungsfähigkeit“ zurückgestellt. Im Laufe des Jahres 1941 ging dann mit der Einberufung seine Zeit der Selbstbestimmung und Jugend zu Ende.

Die militärische Ausbildung als Infanterist und Funker erfuhr er in Namur, im besetzten Belgiern Nach meiner Erinnerung kam er 1941/42 nach einem Zwischenaufenthalt in Dänemark an die Ostfront in der Gegend von Minsk, im heutigen Weißrußland.

Von dort erhielt er 1943 noch einmal Heimaturlaub. Als er zu nächtlicher Stunde unangekündigt nach Hause kam, waren alle Türen und Fenster verschlossen, ausgenommen das Fenster an Bruder Hermanns (9 Jahre) Schlafkammer. Dort kroch er zu seinem kleinen Bruder ins Bett, ohne ihn zu wecken. Der meldete am nächsten Morgen, es läge ein fremder Mann in seinem Bett.
In Raesfeld wird dem bis dahin noch optimistisch gestimmten Ostfrontsoldaten klar geworden sein. dass es keinen „Siegfrieden“ geben werde. Entsprechend mißmutig und enttäuscht musste er Elternhaus und Heimat wieder verlassen.
Bei der Verabschiedung zur Rückkehr an die Front gab ihm Vater Johann noch ein Stück Geleit in Richtung Dorsten.

In einem aufmunternden Aufruf der Heeresleitung an die tapferen Soldaten hieß es: „Wir stehen jetzt mit dem Rücken am Vaterland ...!“ Aber alle Tapferkeit konnte nicht die große Überlegenheit der Sowjets an Menschen und Material ausgleichen.

Im Frühjahr 1945 begann in Ostpreußen der Endkampf um Deutschland. Und hier, in den Wirren von Rückzügen. Einkesselungen und Flucht nach dem Motto: „Rette sich, wer kann!“ ist unser lieber Bruder Adolf irgendwie verloren gegangen, ohne dass es darüber eine Mitteilung seiner Truppeneinheit, die vielleicht völlig „aufgerieben“ bzw völlig versprengt war, gegeben hat. (Siehe beigefügte Mitteilungen des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK)).
In der Familie Cluse wurde viel für den vermißten Sohn und Bruder gebetet - ohne sichtbaren Erfolg.
Vor allem Vater Johann war in Kummer und Sorge um den Sohn, der einmal sein Nachfolger werden sollte.
Nur wenig Trost vermittelten die Meldungen über 1,3 Millionen ähnliche Schicksale.

Die Niederlage Deutschlands kostete beide Seiten schwere Opfer und Verluste. Dass die Gefallenen und Vermissten in einern verbrecherischen Angriffskrieg ihr Leben einsetzen mußten - und es verloren - machte die Sache noch schlimmer.
Diese traurige Lebensgeschichte unseres Bruders ist noch tragischer, wenn man bedenkt, daß sein junges Leben eingesetzt wurde in einem Krieg, den unser Land nicht gewinnen durfte. Viele Millionen Menschen in Ost und West, angefangen von den Insassen der Nazi-Konzentrationslager bis zu den besiegten und unterdrückten Völkern, hofften auf die Niederlage Nazi-Deutschlands, die mit schweren Kämpfen und Opfern errungen werden mußte. Diese Erfahrung des 12-jährigen Naziregimes sollte seinem Volk eine bleibende Lehre sein.
Der Geist Gottes möge ihm dabei zur Seite sein.

Wir, seine noch lebenden Geschwister, hoffen und beten, dass unser Bruder sich in seiner Soldatenzeit von Böswilligkeiten und Verbrechen fernhalten konnte und dass er schließlich irgendwo ein gnädiges Ende fand.
Bezüglich seiner Ängste und Schmerzen in den letzten Monaten seines Lebens mögen die Worte für ihn Geltung haben, die der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer richtete: „lch bin der Ansicht: Die Leiden dieser Zeit sind nicht Zu vergleichen mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll (Römer 8, 18),

Münster, am 1. Adventssonntag 2019
1. Dezember 2019
Im Namen der Geschwister Cluse


G U T A C H T E N
 
über das Schicksal des Verschollenen
 
Adolf   C l u s e ,  geb. 24.5.23

 
Truppenteil: Grenadier-Regiment 1073
 
der 541. Volks-Grenadier-Division
 
letzte eigene Nachricht vom Februar 1945
 
DRK-Verschollenen-Bildliste Band CE, Seite 17
 
 
                           
Ausgangspunkt für die Nachforschungen waren die dem Suchantrag entnommenen Angaben, die in die Verschollenen-Bildlisten aufgenommn wurden. Damit sind alle erreichbaren Heimkehrer aus Krieg und Gefangenschaft befragt worden, von denen angenommen werden konnte, dass sie mit dem Verschollenenen zuletzt zusammen gewesen sind. Diese Befragungen fanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in Österreich und anderen Nachbarländern statt.

 
Ferner Sind von anderen Stellen, die Unterlagen über die Verluste im 2. Weltkrieg besitzen, Informatlonen eingeholt worden. In erster Linie handelt es sich hierbei um das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf, die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht in Berlin und die Heimatortskarteien.

 
Uber diese individuellen Ermittlungen hinaus wurde die Frage geprüft, ob der Verschollene in Gefangenschaft geraten sein konnte. Dabei wurden dle Kampfhandlungen, an denen er zuletzt teilgenommen hat, rekonstruiert. Ale Unterlage dienten dem DRK-Suchdienst Angaben über Kameraden, die der gleichen Einheit angehört hatten und zum selben Zeitpunkt und am selben Einsatzort verschollen sind, Heimkehrerberichte, Schilderungen von Kampfhandlungen, Kriegstagebücher sowie Heeres- und Speziallandkarten.

 
Daa Ergebnis aller Nachforschungen führte zu dem Schluss, dass
 
Adolf   C l u s e
 
mit hoher Wahrscheinlichkeit im Februar 1945 auf dem Rückzug durcb Ostpreußen von Masuren in den Raum Heiligenbeil gefallen ist.

 
Zur Begründung wird ausgeführt:

 
Mitte Januar 1945 waren starke Verbände der Roten Armee aus ihrem Aufmarschgebiet am Narew nördlich Warschau zu einer Großoffensive gegen Ostpreußen angetreten. Nachdem der Gegner die Abwehrfront der deutschen 2. Armee mehrmals durchbrochen hatte, drehten Teile der Angriffsverbände nach Norden ein und drangen über Mlawa (Mielau) und Allenstein entlang der Alle bis in den Raun Heilsberg vor, um sich hier mit den von Südosten vorstoßenden sowjetischen Truppen, welche die deutsche 4. Armee aus den Masurischen Seenstellungen nach Westen abgedrängt hatten, zu vereinigen.

 
Die 541. Volks-Grenadier-Division war nach verlustreichen Abwehrkämpfen in Nordpolen und Masuren über Rastenburg und Rössel zunächst auf Heilsberg zurückgegangen, musste sich aber, als der Gegner die Stadt am 30. Januar besetzte, weiter nach Norden auf Landsberg zurückziehen; dabei wurde sie von sowjetischen Panzern eingeholt. Es kam zu erbitterten Kämpfen um jedes Dorf und jedes Haus. Die Division verlor den Zusammenhalt und zog sich, um einer Einschließung zu entgehen, zum Teil weiter nach Norden in Richtung auf Preußisch Eylau, zum andern Teil nach Nordwesten und Westen auf Zinten und Mehlsack zurück. Am 16. Februar ging nach schweren Straßenkämpfen Mehlsack verloren. Nur mit größter Anstrengung konnte während der nächsten Tage ein etwa zehn Kilometer breiter Abschnitt westlich der Stadt bis zum Passarge-Fluß verteidigt werden, um der aus allen Teilen Ostpreußens flüchtenden Zivilbevölkerung den Weg zum Frischen Haff offenzuhalten. Der gesamte Raum war pausenlosen Luftangriffen ausgesetzt. Am 25. Februar besetzte der Gegner auch Zinten. Die Verbände der 4. Armee mussten im Zuge einer weiteren Frontverkürzung auf die von Königsberg nach Elbing führende Autobahn zurückgenommen werden. Im Raum Heiligenbeil wurde die 541. Volks-Grenadier-Division aufgeteilt und ihre Einheiten anderen Truppenteilen unterstellt. Ein Heimkehrer berichtete, das von seiner Kompanie nur fünf Mann übriggeblieben seien.

 
Seitdem werden viele Soldaten der Division vermisst. Das Datum ihrer letzten Nachricht oder eine Meldung ihrer Einheit bestätigen ihren Einsatz bei diesen Rückzugskämpfen. Viele haben in dem noch tiefverschneiten Gelände oder bei den Straßen- und Häuserkämpfen den Tod gefunden, ohne dass es von Kameraden gesehen wurde. Das schnelle Nachrücken des Gegners nachte auch die ärztliche Versorgung und die Bergung von Verwundeten unmöglich.

 
Es gibt keinen Hinweis dafür, dag der Verschollene in Gefangenschaft geriet, zumal er auch später in keinem Lager gesehen wurde. Alle Feststellungen lassen nur die Schlußfolgerung zu, dass er in den geschilderten Kämpfen gefallen ist.

München, den 26. Oktober 1971


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